Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hebt die Konzession für das neue Kraftwerk Aarau auf

Ein grosser Schritt auf dem Weg zur Rettung des Mitteldamms – ein Sieg des Rechtsstaats

Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hebt die Konzession und die Projektgenehmigung für das neue Kraftwerk Aarau auf. Es stellt insbesondere fest, dass auch der Mitteldamm durch NHG/ISOS (Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (1A)) geschützt ist. Das Gericht verlangt eine vollständige Neubeurteilung.

Der Verein «Rettet den Mitteldamm» kämpft seit 5 Jahren gegen die Zerstörung der
historischen Kanallandschaft, die mit dem Mitteldamm und dem kleinen Schwimmkanal ein
Kleinod von nationaler Ausstrahlung und ein wichtiges und sehr beliebtes
Naherholungsgebiet im Grossraum Aarau darstellt. Das Kraftwerk samt den beiden Kanälen
und dem Mitteldamm stehen seit Langem unter Schutz (NHG, ISOS 1A).
Um diesen «Amazonaskanal des Aargaus» zu retten, unterzeichneten im Jahr 2019 über
3500 Personen eine Petition, die der Stadtrat von Aarau lediglich mit dem Satz erledigte,
«die Eniwa sei sich ihrer Verantwortung auch für die Umwelt und den Naherholungsraum
sehr wohl bewusst». Das hat das Verwaltungsgericht nun widerlegt.
Es folgten Eingaben bei der Mitwirkung, Einsprachen gegen das Konzessionsgesuch, Rekurse
beim Regierungsrat. Alle wurden abgelehnt, ohne dass die Behörden im Wesentlichen auf
die Argumente der Beschwerdeführerinnen eingegangen wären.
Nun hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde in den zentralen Punkten gutgeheissen, die
Konzession sowie die Projektgenehmigung für das neue Kraftwerk aufgehoben und das
Verfahren an den Regierungsrat zurückgewiesen «zur erneuten Prüfung und Einholung
weiterer, namentlich genannter Abklärungen». Die Eniwa muss ihr Konzessionsgesuch
vollständig überarbeiten und neu eingeben. Das wird mit Bestimmtheit mehrere Jahre in
Anspruch nehmen, denn sie hat dabei insbesondere die folgenden Anforderungen zu
erfüllen:

Wirtschaftlichkeit nachweisen
ISOS 1A Objekte dürfen nur dann abgerissen werden, wenn sie auch ohne
Bundessubventionen wirtschaftlich sind. Diesen Nachweis haben die Einsprechenden immer
gefordert – die Eniwa hatte sich stets geweigert, diesbezüglich die Zahlen auf den Tisch zu
legen. Der Verein «Rettet den Mitteldamm» geht davon aus, dass alleine wegen dieser
zwingenden Anforderung der Mitteldamm uns für immer erhalten bleiben wird.


Alternativen prüfen
ISOS 1A Objekte dürfen nur dann abgerissen werden, wenn es keine Alternativen gibt, um
das gleiche Ziel zu erreichen, das im nationalen Interesse liegt. Auch dies haben die
Einsprechenden immer wieder gefordert und aufgezeigt, dass es sehr wohl möglich ist,
durch andere Massnahmen eine vergleichbare Menge Zusatzstrom zu erzeugen. Das
Verwaltungsgericht macht diese Prüfung von Alternativen nun endlich zur Bedingung. Der
Verein «Rettet den Mitteldamm» ist sicher, dass es alternative und umweltverträglichere
Möglichkeiten gibt, mehr Strom zu produzieren, ohne dass der 111-jährige Mitteldamm
abgerissen und für immer zerstört werden muss.

Auch das Unterwerk integrieren – keine Salamitaktik
Die Eniwa muss, um das Kraftwerk zu erneuern, auch die Trafostation und die Schaltanlagen,
die zu jedem Kraftwerk gehören, erneuern. Diese wollte sie als separates, vom Kraftwerk
und dem Kanal unabhängiges Projekt in einem Unterwerk neu bauen. Sie hatte dazu ein
eigenes Bauprojekt eingegeben. Diese Salamitaktik verstösst aber klar gegen das
Umweltschutzgesetz. Die Einsprechenden haben auch dagegen rekurriert. Die zuständigen
Bundesämter (BfE, BAFU, ARE) hatten dieses unrechtmässige Vorgehen durchgewinkt. Das
Verwaltungsgericht hat auch dies als nicht korrekt beurteilt und verlangt eine umfassende
Korrektur. Neu muss die ganze Kraftwerksanlage, d.h. das Unterwerk, die Kanäle inklusive
Mitteldamm und neues Kraftwerk, einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung
unterzogen und beurteilt werden. Auch dies führt zu einem Neuanfang.


Keine Überraschung
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist für Umweltjuristen keine Überraschung, denn es stellt
klar, was die verbindlichen einschlägigen Gesetze deutlich festhalten. Der Verein «Rettet den
Mitteldamm» und die Einsprechenden haben immer wieder gefordert, dass die relevanten
Erlasse eingehalten werden müssen. Schon alleine damit wäre der Mitteldamm gerettet
worden.
Überrascht hat all die Jahre, dass niemand den Schutz des Mitteldamms als ISOS-1A-Objekt
beachten und die daraus folgenden Konsequenzen wirklich ziehen wollte: Die Eniwa, der
Stadtrat von Aarau, die Eigentümerin (Stadt Aarau), die Regierungsräte der Kantone Aargau
und Solothurn, alle haben diese Argumente mit billigen Scheinargumenten auf die Seite
gewischt.


Wie gross ist der Schaden für die Stadt Aarau?
Wenn die Eniwa von Anbeginn ein gesetzeskonformes Projekt ausgearbeitet und dabei die
Kanallandschaft mit dem Mitteldamm im Wesentlichen belassen hätte, wäre die Konzession
für das neue Kraftwerk Aarau 2021 rechtskräftig erteilt worden. Nun aber wird sie
möglicherweise nicht vor 2030 erteilt werden können. 10 Jahre Verzögerung bedeutet, dass
10 Jahre deutlich weniger Strom produziert werden kann – bei gleichen Gestehungskosten
und gleicher Konzessionsdauer. Das wird zu einem Einnahmenverlust von rund Fr. 20 Mio.
führen, den die Stadt Aarau als 95%-Eigentümerin zu beklagen haben wird.
Eine adäquate Eignerstrategie des Stadtrats, kombiniert mit guter Unternehmensführung bei
der Eniwa, und – was selbstverständlich sein sollte – die Berücksichtigung der geltenden
Rechtslage, hätten diesen signifikanten Ertragsausfall zum Schaden der Bevölkerung von
Aarau verhindern können.

Im Namen des Vorstands des Vereins Mitteldamm

  1. Oktober 2024/6
    Leo Keller, Präsident